Kann es eine friedlichere, weniger bedrohlichere Idylle geben als einen leicht verstaubten kleinen Schreibwarenladen mitten in Berlin, in dem Chefin und Chef nebst etlichen studentischen Aushilfskräften ganz unzeitgemäß den KundInnen auch mal einzelne Bögen Geschenkpapier zu ornithosanitären Zwecken oder eine abgezählte Menge Heftklammern verkaufen? Wohl kaum … und doch lauert in dieser liebenswürdig nostalgischen Nische des Bürobedarfeinzelhandels ein subtiles Grauen, das sich wie ein verderblicher Hauch auf alles und jeden legt. Er vergiftet die Arbeitsbeziehungen, verstört die Kundinnen, peinigt die Angestellten und – tötet…
Archiv der Kategorie: Rezensionen 2012 1. Halbjahr
Elia Barceló: Töchter des Schweigens
Um dreißig Jahre des Schweigens geht es auch in dem grandiosen Roman von Elia Barceló, Töchter des Schweigens. Und darüber hinaus noch um weitaus mehr: Um das Leben im Schatten einer Diktatur, um Verrat, Spitzeltum und die Frage, wie verdient ein Tod sein kann, aber auch um Mut, Loyalität, Liebe und die Freundschaft von sieben jungen Frauen an der Schwelle des Erwachsenwerdens. Die virtuose Erzählkraft Barcelós bindet mühelos die Rückblicke zu den Ereignissen der Vergangenheit und den Haupthandlungsstrang der Gegenwart zu einem organischen mitreißenden Ganzen.
Elke Amberg: Schön! Stark! Frei!
Nun liegt sie vor, die Studie, die belegt, was wir alle tagtäglich beobachten können: Lesben sind unterrepräsentiert in der (Mainstream)Presse. LeTRa, die Münchner Beratungsstelle für Lesben, übrigens die einzige hauptamtlich besetzte in Bayern, hatte die Studie bei der Autorin in Auftrag gegeben. Herausgekommen ist eine Menge fundiertes Zahlenmaterial (was frau von einer Studie erwarten kann) und darüber hinaus ein für ein breites LeserInnenpublikum sehr informatives Buch (was weitaus mehr ist, als frau von vielen Studien gewohnt ist). Kompliment dafür, dass der Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und Lesespaß so gut gelungen ist. Witziges Cover, hervorragendes Layout und – sofern eine keine Probleme mit kleiner Schrift hat – der Nachdruck analysierter Artikel werten das Buch zusätzlich auf.
Claudia Lewin: In mir ein Meer
Anne, Ehefrau und Mutter, verguckt sich in die Lesbe Benita, die als neue Kollegin in ihr Büro kommt, Benita erwischt es richtig, aber Anne tut sich schwer mit einer Entscheidung. Benita gibt auf und hat einen Unfall, von dem nicht ganz klar ist, ob es wirklich einer gewesen ist. Anne bekommt von Benitas Mutter (!) das Tagebuch Benitas (!!) zu lesen und versucht daraufhin, mit ihren Gefühlen in Reine zu kommen…
Jutta Schwerin: Ricardas Tochter. Leben zwischen Deutschland und Israel.
Langjährigen Mitfrauen des Lesbenrings dürfte der Name der Autorin noch in Erinnerung sein, denn unter dem Namen Jutta Oesterle-Schwerin gehörte sie längere Zeit zu den Aktiven unseres Dachverbandes. Sollte eine im Buch nach den Spuren Jutta Schwerins lesbenpolitischer Arbeit forschen wollen, so wird sie bis auf wenige Repliken und insbesondere ihres Einsatzes für den Gebrauch der Begriffe „Lesben“ und „Schwule“ im Bundestag nicht fündig werden. Ganz sicher wäre das Stoff für ein weiteres Buch.
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